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Offener Brief an die neue Ratsvorsitzende der EKD, Margot Käßmann

Pressemitteilung

Anlässlich ihrer Wahl zur neuen Ratsvorsitzenden der EKD, versandten die Jusos RLP folgenden Brief an Frau Margot Käßmann:

Sehr geehrte Frau Käßmann,

wir gratulieren Ihnen herzlich zu Ihrer Wahl. Als neue Ratsvorsitzende der EKD übernehmen Sie eine herausfordernde, aber sicherlich auch aus- und erfüllende Aufgabe.

Sie sind die erste Frau, die dieses Amt ausübt. Obwohl Sie mit großer Mehrheit gewählt wurden, war Ihre Wahl innerhalb Ihrer Kirchen nicht unumstritten- unter anderem aufgrund der Tatsache, dass Sie geschieden sind. Wir hoffen, dass Sie - und möchten Sie dazu ermutigen - erforderliche Reformen in Ihrer Kirche voranbringen. Mit Ihrer bisherigen Arbeit haben Sie gezeigt, dass Sie für eine tolerante, liberale und Diskussionsfreudige EKD stehen werden - wir begrüßen insbesondere den von Ihnen angekündigten Kampf gegen Rechtsextremismus innerhalb ihrer Kirchen und danken Ihnen für dieses wichtige gesellschaftspolitische Engagement. Als politischer Jugend- und Richtungsverband beziehen wir uns selbstverständlich mit unserer Aufforderung, weitere Reformen in Ihren Kirchen voranzubringen nicht auf theologische oder strukturelle Fragen Ihrer Kirchen, die dem zu respektierenden und von uns unterstützten Selbstbestimmungsrecht der Kirchen obliegen.

Vielmehr geht es uns um soziale und arbeitnehmerInnenrechtliche Aspekte in Einrichtungen in Trägerschaft der evangelischen Kirche, oder solchen, die zwar rechtlich von den EKD Kirchen verschieden, aber doch de facto Einrichtungen evangelischer Trägerschaft sind. Es geht uns also konkret um Bildungseinrichtungen, Pflege- und Wohnheime, die Einrichtungen und Dienste der Diakonie und weitere.

All diese Einrichtungen werden zu einem Großteil, in der Regel begründet durch das Subsidiaritätsprinzip, aus staatlichen Quellen finanziert. Dennoch haben ArbeitnehmerInnen in diesen Einrichtungen nicht die gleichen Rechte wie in vergleichbaren staatlichen oder privaten Einrichtungen. Begründet wird dies durch das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.

Dieses Selbstbestimmungsrecht muss aber dort ein Ende finden, wo Menschen aufgrund ihrer individuellen Lebensweise und ihrer Weltanschauung diskriminiert werden.

Sie haben angekündigt, weiter an einer Reform der EKD Kirchen arbeiten zu wollen.

Wir fordern Sie deshalb auf: bekennen Sie sich weiterhin zu einem klaren Weg der Toleranz und einem Weg des „Gleichen Rechts für Alle“- nicht nur in theologischer Hinsicht und in Ihrer Arbeit für die Ökumene, sondern auch und insbesondere hinsichtlich Ihrer eigenen ArbeitnehmerInnen.

Setzen Sie sich offen dafür ein, dass in den EKD Kirchen unter ihrem Ratsvorsitz:

• KeinE ArbeitnehmerIn gekündigt wird, der/die sich scheiden lässt, die/der sich offen zu ihren/seinen sexuellen Präferenzen bekennt, der/die in einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft lebt oder sich gegen eine Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche entscheidet. Letzteres gilt, selbstverständlich, nicht für in der Verkündigung arbeitendes Personal.
• ArbeitnehmerInnen Betriebsräte bilden, sich Einheitsgewerkschaften anschließen und streiken können.
• eine Mitgliedschaft in einer christlichen Kirche keine Einstellungsvoraussetzung für Personal darstellt, das nicht in der Verkündigung arbeitet. Dies gilt auch und insbesondere für Bildungseinrichtungen wie z.B. Kindertagesstätten. In vielen ländlichen Gebieten haben die beiden christlichen Großkirchen eine Monopolstellung als Anbieter von frühkindlicher Erziehung. Mit der gängigen Einstellungspraxis wird es konfessionsfreien ErzieherInnen unmöglich gemacht, eine entsprechende Anstellung zu finden- unter dem Druck des Arbeitsmarktes entscheiden sich die meisten dieser Menschen für eine de iure Mitgliedschaft in einer Kirche, um soziale Nachteile zu vermeiden. Diese Situation ist aus sich selbst heraus abzulehnen und sollte von den auf Toleranz und Selbstbestimmung bauenden EKD Kirchen nicht weiter aufrechterhalten werden. Weiterhin ist diese Praxis fraglich, in so fern die genannten Einrichtungen in der Regel zu mehr als 85% aus staatlichen Quellen finanziert werden.

Seien Sie mutig und bekennen Sie sich zu einer EKD, die tolerant und weltoffen ist und verantwortungsvoll mit ihrer Stellung als eine der größten Arbeitgeberinnen in Deutschland umgeht, indem Sie Reformen in den angesprochenen Bereichen ankündigen und prüfen lassen. Setzen Sie den Anspruch der EKD Kirchen auf moralische Wertsetzung in unserer Gesellschaft in die Tat um, indem Sie sich zu gleichen ArbeitnehmerInnenrechten bekennen, wie sie in den entsprechenden staatlichen Einrichtungen gelten.

So können Sie den Anspruch der EKD Kirchen, für eine weltoffene und tolerante Gesellschaft zu streiten, eindrucksvoll unterstreichen. Sonst wird zwangsläufig eine immer größere Öffentlichkeit Ihren Kirchen den Rücken zukehren. Wenn Sie aus dem schwindenden Interesse der Menschen für Ihre Kirchen Konsequenzen ziehen wollen, müssen Sie für einen neuen Ausgleich zwischen Anspruch und Wirklichkeit in den angesprochenen Bereichen sorgen.

Wir würden uns über eine Rückmeldung freuen. Wir werden Ihre Arbeit weiterhin mit Interesse verfolgen und verbleiben

mit freundlichen Grüßen

Fabian Löffler, Anna Gros, Andro Scholl, Markus Leidinger, Eva-Maria Conrad

(für den Landesvorstand der JungsozialistInnen in Rheinland-Pfalz)

 

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